Dienstag, 28. März 2017

SWR: Frauen in Führungspositionen - Parität in 20 Jahren - Eventuell...


Erstmals seit zehn Jahren präsentierte der Südwestrundfunk (SWR) am 24. März in
Gleichberechtigt zumindest an der SWR-Garderobe
Stuttgart
dem Rundfunkrat die Ergebnisse der neuesten Studie zur Chancengleichheit für Frauen. Dabei kam es zu einer engagierten Debatten in der öffentlichen Gremiensitzung - was wirklich nicht oft vorkommt. Bezeichnend war allerdings, dass von den etwa 20 Diskussionsbeiträgen nur zwei von Männern beigesteuert wurden. So verwunderte es auch nicht, das zu Beginn der Powerpoint-Präsentation der Ergebnisse durch die Gleichstellungsebauftragte, Angela Sterzenbach, im Saal erst einmal Unruhe aufkam. Manche begannen miteinander zu plaudern - darunter auch Frauen - andere widmeten sich ihren Mails im Laptop oder fuhrwerkten auf ihrem Smartphones herum - zumeist die Männer.


Junge Besucher im SWR - wenn sie Groß sind gibt's vielleicht eine Intendantin?!
Innerhalb der letzten zehn Jahre ist der Frauenanteil der Festangestellten von 1460 (39%) auf 1703 (46,5%) gestiegen. Beschäftigte der SWR im Jahr 2006 noch 2318 Männer, sank die Zahl mittlerweile auf 1962 Festangestellte. Betrachtet man außerdem die Freien- und Festfrei beschäftigten Mitarbeiter, dann wurde bei den insgesamt 1793 Personen mittlerweile die Parität erreicht, betonte Verwaltungsdirektor Jan Büttner. Der SWR also auf einem guten Weg zur beruflichen Gleichberechtigung? Ein Blick auf die Chancengleichheit bei Führungspositionen - ab Redaktionsleiter aufwärts - fällt eher ernüchternd aus. So stieg innerhalb der letzten Dekade der Anteil von Frauen zwar von 44 auf jetzt 101 in gehobener Funktion. Ihr Anteil an den Beschäftigten der Leitungsebenen macht damit aber immer noch gerade erst ein Drittel dieser Beschäftigten im SWR aus. Da schwang im Statement der Gleichstellungsbeauftragten wohl etwas Sarkasmus mit, als sie meinte, bei diesem Tempo würde die Parität in Führungspositionen des SWR in etwa 20 Jahren erreicht werden. SWR-Intendant Peter Boudgoust meinte dazu entschuldigend, die Fluktuation bei Festangestellten im SWR sei eben nur sehr gering: "Wer einmal im Sender ist, bleibt eben in der Regel bis zur Rente hier." 

Schwupps, schon wieder eine Kamera weg?! 
Einige Gremienmitglieder nutzten die Aussprache zum Thema, um ihren Unmut über das in vielen Programmen transportierte Frauenbild zu äußern. So entrüstete sich Brigitte Dahlbender (BUND), im gemeinsam von der ARD gestarteten Online-Programm "funk" für Jugendliche würden Frauen nur für die Themen Schönheit, Sex und Wissen zuständig sein. Auch hier werde damit ein tradiertes Themenklischee weiblicher Interessen transportiert. Dahlbender forderte vom SWR, einen 'gender check' seine Programminhalte vorzunehmen, wie es seit Jahren im Österreichischen Rundfunk (ORF) Praxis wäre. Für die Vertreterin der Migranten aus Baden-Württemberg, Argyri Paraschaki, fehlte im Gleichstellungsbericht eine Analyse, wie es um die berufliche Entwicklung im SWR für Frauen mit Migrationshintergrund stehe. Das Urgestein des Rundfunkrates, 'Charly' Geibel, seit Jahrzehnten für die Journalistengewerkschaften im Gremium, engagierte sich als einziges männliches Gremienmitglied. Er hielt fest, auch fast 50 Jahre nach 1968 sei das vom SWR in seinen Programmen vermittelte Frauenbild: "immer noch unterirdisch". Intendant Boudgoust sprach sich in seiner Antwort gegen den 'gender check' wie beim ORF aus - das Thema solle im SWR vielmehr in der Programmbeobachtung mitbehandelt werden. Nun ja.....


War's ein VfB-Fan?
Eine neben mir am Pressetisch sitzende Kamerafrau fragte ich, wieviele Kolleginnen es in ihrer Abteilung gebe - sie meinte, rund ein Drittel. Aber die Kameraleute im SWR haben derzeit wohl andere Probleme, denn zwei Tage zuvor war einem Team im Stuttgarter Nobel-Einkaufsort für edle Genüsse, der Markthalle, eine teure Kamera gestohlen worden. Laut Stuttgarter Zeitung hatte das Team eine Mittagspause eingelegt und nicht auf die Geräte geachtet. Ein teures Mißgeschick, denn immerhin kosten so eine Kamera rund 80 000 € und es erfordert schon eine gewisse Dreistigkeit der Diebe, ein solch schweres und großes Gerät unbemerkt zu entwenden. Da müssen schon 'Profis' am Werk gewesen sein. Na ja, meinte ich, im Rundfunkrat gebe es ja wohl keine Kamera-Marder - die Kamerafrau neben mir lächelte nur weise.....

Mittwoch, 22. März 2017

Dobrindt's Digitalradio 'Roadmap': Irgendwo im Nirgendwo?


Der für Verkehr und digitale Infrastruktur zuständige Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) hat im Februar 2017 einen "Aktionsplan für die Transformation der Hörfunkverbreitung in das digitale Zeitalter" ausarbeiten lassen. Mit dieser "Roadmap" soll ein "Rahmen" für den "Aufbau einer nachhaltigen digitalen Hörfunkinfrastruktur" vorgegeben werden. Visionäre Entwicklung - oder auf dem Weg ins Irgendwo im Nirgendwo?

UKW
Bereits im Vorwort stellt das Ministerium klar, die analoge UKW-Verbreitung bleibe "nach wie vor zentraler Eckpfeiler der Hörfunklandschaft". Allerdings biete es keine Kapazitäten für weitere Programm- und "zeitgemäße Zusatzangebote". (S.3) Gemeint sind hier vor allem interaktive Elemente, die das analoge Radio nicht bieten kann. Gleichzeitig betonen die Autoren, dass sich die Entwicklung des digitalen Radios in Deutschland an den Interessen der Hörer zu orientieren habe.

Fakt ist aber, dass sich das Engagement der privaten Radioveranstalter für die digitale Hörfunkentwicklung bei uns in Grenzen hält. Das muss auch das Papier aus Dobrindts Ministerium einräumen. So wird konstatiert, die Verbände der kommerziellen Rundfukveranstalter in Deutschland (VPRT - APR)* würden eine baldige UKW-Abschaltung nicht für sinnvoll halten. Gleichzeitig betonte die ARD für die Öffentlich-Rechtlichen, ein Ende der UKW-Verbreitung sei nur zeitgleich mit der privaten Konkurrenz möglich. Entsprechend hatte sich die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzsbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF) geäußert, die einen Wechsel zu DAB+ nur mit einem realistischen Zeitpunkt für die Abschaltung aller UKW-Sender befürwortet. Diesen festzulegen sei aber die Aufgabe der politischen Entscheidungsträger von Bund und Ländern, betont Dobrindt's Roadmap. (S.6) Aktivitäten in Berlin oder den Ländern sind aktuell weit und breit nicht in Sicht. Bisher haben nur die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt das Jahr 2025 als Datum für das Ende der UKW-Verbreitung beschlossen. 

DAB+
Ein Blick auf die Geschichte des digitalen Radios zeigt, dass sich seit seinem offiziellen Start im Jahr 1999 die Technik in den Haushalten bisher nicht habe durchsetzen können - konstatiert der Bericht des Ministeriums. Erst durch die Freigabe der bisher für Fernsehen genutzten VHF-Frequenzen im Jahr 2006 habe das Digitalradio mittlerweile eine "marktrelevante Attraktivität" erreichen können Woher nehmen die Ministerialbeamten aber ihre Zuversicht? Festzuhalten ist: In bundesdeutschen Haushalten stehen knapp 140 Millionen UKW-Empfänger nur 8,2 Millionen Digitalempfänger aber mittlerweile über 4,6 Millionen Online-Radios.


Wer profitiert eigentlich am stärksten vom digtialen Radio? Die Roadmap hält fest: "Die Befürworter von DAB+ betonen die (...) kostengünstige Verbreitung bei gleichzeitig geringerem Energieverbrauch." Am Beispiel Bayern heißt das: Bisher benötigte man für die Verbreitung eines analogen Radioprogramms im Freistaat 40 UKW-Sender mit 116 Kilowatt Stromverbrauch. Für digitale Verbreitung per DAB+ würden die 60 erforderlichen Sendeanlagen nur 22,4 Kilowatt verbrauchen. Laut Ministerium rechne die ARD mit einer jährlichen Kostenersparnis von 15-20% der Aufwendungen für die Verbreitung der Programme (S.6) Seit mittlerweile 18 Jahren versucht DAB bzw der Nachfolger DAB+ in den bundesdeutschen Haushalten ein Bein auf den Boden zu kriegen. Die Akzeptanz ist aberkläglich wenn man bedenkt, dass der Online-Empfang von Radioprogrammen das digitale Radio bereits überholt hat. Während immer noch die analoge UKW-Nutzung (94%) als Empfangstechnik der Haushalte dominiert, hören mittlerweile schon mehr als ein Drittel (34%) Online-Radio. Das Ministerium muss feststellen, online würden "zumeist (...) Smartphones, PCs, Laptops und Tablets" (S. 7) als Empfangsgeröte genutzt - stirbt DAB+ also den Kindbett-Tod?


Um das zu verhindern, sieht der Plan der Roadmap acht Maßnahmen vor, mit denen die Transformation vom analogen UKW- zum digitalen Hörfunk befördert werden soll.

  1. Alle neuen Radiogeräte sollen über eine Schnittstelle für digitalen Empfang
    verfügen.
  2. Von den Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr benötigte UKW-Frequenzen sollen nicht mehr an neue oder veränderte UKW-Programme der ARD vergeben werden.
  3. Der Ausbau der digitalen Breitbandnetze soll vorangetrieben werden.
  4. Weitere Übertragungskapazitäten für eine zweite DAB+ Kette in Deutschland
  5. Förderung des internationalen technischen Standards für Verkehrs- und Reiseinformationen (TPEG)
  6. Eindeutige Methode zur Ermittlung der Ausstattung bundesdeutscher Haushalte mit digitalen Empfängern
  7. Eindeutige Messmethoden der Nutzung
  8. Politische Begleitung des Prozesses vom analogen zum digitalen Radio
Zu 1: Um die Hersteller der Radioempfänger zu verpflichten, in alle neuen Geräte eine
Online
digitale Schnittstelle einzubauen, fordert Dobrindt's Ministerium die Änderung des Telekommunikationsgesetzes. In einem Nebensatz findet sich dann aber der Hinweis:"soweit dies europarechtlich zulässig ist". (S 10). Und da liegt der Hund begraben, denn einige Zeilen später muss man einräumen: "Eine EU-weite 'Smart-Radio' Regelung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht realisierbar". Warum? "Die Europäische Kommission hat dem Anliegen (...) nicht entsprochen". 


Bei der ARD setzt man dabei auf das 'Prinzip Hoffnung', Dr. Ulrich Liebenow, Betriebsdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und Vorsitzender der ARD-Technikkommission antwortete am 9. März auf meine Nachfrage: "Ich glaube, dass man am Ende das Thema in beiden Bereichen - national und auf europäischer Ebene - regeln muss. Ich bin zuversichtlich, dass hier ein gangbarer Weg gefunden wird."

Zu 2: Von der ARD nicht mehr benötigte UKW-Frequenzen dürften künftig von den Öffentlich-Rechtlichen nicht genutzt werden. Dem stimmt Liebenow zu, freiwerdende Frequenzen sollten "nicht für neue Radioangebote verwendet werden". Er fügte dann aber in seiner schriftlichen Antwort hinzu, die Frequenzen dürften "durchaus genutzt werden (...), um die bestehenden Bedarfe zu komplettieren oder zu optimieren(...)."  

Mobil
Zu 6: Bei der von der Arbeitsgemeinschaft Media Analyse (AGMA)**  halbjährlich durch Telefoninterviews erhobenen Radionutzung der bundesdeutschen Haushalte (Radio Media Analyse), wird nicht erhoben, welche Empfangstechnik die Hörer nutzen. Online-Radio wird zwar technisch ermittelt (Klicks) - aber man darf nicht vergessen, dass gerade über die Manipulation solcher Erhebungen in der Werbewirtschaft heftig diskutiert wird. Man versucht deshalb bei der AGMA diese Erhebung durch eine zusätzliche Befragungen einer Stichprobe der Hörer zu ermitteln (MA IP Audio). Faktisch sieht es hier ziemlich mäßig aus und das Ministerium stellt in seiner Roadmap fest: "Die Radionutzung über DAB+ wird zurzeit noch nicht gesondert ermittelt" (S. 15) Es existieren also bisher keine harten Daten für die digitale Radionutzung.

Zu 7: Die Messung der Hörernutzung ist kostspielig und angesichts der geringen Verbreitung digitaler Radiogeräte in den Haushalten für die Radioveranstalter - öffentlich-rechtlich wie kommerziell - derzeit wohl nachrangig. Dementsprechende heißt es im Maßnahmepaket des Ministeriums: "Die Marktteilnehmer werden in Abstimmung mit der agma* eine Weiterentwicklung der Messmethode erörtern." Für 2018 soll die DAB+ Nutzung "auf Basis der weiterentwickelten Messmethode" veröffentlicht werden. Entschlossenes Handeln hört sich anders an

Abschließend stellt sich die Frage, was die 'Roadmap' bewirken kann, denn abschließend wird nüchtern konstatiert: "Wie die weitere Transformation zum digitalen Hörfunk verläuft, lässt sich nicht seriös voraussagen.(...) Hierfür sind eindeutige Entwicklungstendenzen nach wie vor nicht final erkennbar." (S. 16) Demnach könne der Maßnahmenkatalog "überwiegend nur langfristig Wirkung entfalten. Abschließende Entscheidungen über die digitale Zukunft des Hörfunks können nach heutiger Einschätzung erst in einigen Jahren verlässlich und auf der Grundlage noch zu gewinnender Erkenntnise (...) getroffen werden." 

Zuversicht klingt irgendwie anders....


* VPRT: Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation - APR: Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk
**AGMA: Arbeitsgemeinschaft Media Analyse - Zusammenschluss von Sendern und Werbung 

PS: Meine Anfrage beim VPRT zur Einschätzung der Roadmap wurde bisher nicht beantwortet - sollte sie noch kommen, wird der Text entsprechend ergänzt werden.

https://medienfresser.blogspot.de/2016/12/digitalradio-privatsender-wollen-500.html